Sven über 08/15
Seit zehn Jahren arbeitet Sven nun bereits an seinem linken Arm. Nun gut, der Arm ist eigentlich völlig in Ordnung, er fängt an der Schulter an, führt über den Ellbogen und endet an der Handwurzel. Aber Sven mag es einfach nicht „wenn Dinge 08/15 sind“. Damit meint er zwar vornehmlich Gebrauchsgüter, Alltagsgegenstände. Aber vielleicht entsteht auch deshalb auf seinem Unterarm nun diese stattliche Tätowierung, die dieses Körperteil zu einem ganz besonderen werden lässt. Und über dessen Gestaltung sich Sven ein Jahrzehnt lang Gedanken gemacht hat.
Sven ist Designer. Wenig überraschend ist das, wenn man ihn so da sitzen sieht mit seinem Kumpel Fabian am Brüsseler Platz in Köln: Die Hornbrille, das schwarze T-Shirt mit „Kamikaze Queens“-Schriftzug und eben das Tattoo lassen den kreativen Kopf mehr als nur erahnen. Der 32-Jährige hat an der Kölner Fachhochschule studiert, dort, an der international school of design, wo man Design als mehr denn bloße Gestaltung begreift. „Ich hinterfrage gerne Dinge, ob es so oder so sinnvoll ist“, sagt Sven. Vieles in der Welt sei ja vorgegeben, folge gängigen Interpretationen. Dabei sei anders nicht selten besser.
Schon während des Studiums hat Sven eine Arbeit geschrieben über Fettleibigkeit und Design. Ein ungewöhnlicher Ansatz, zweifellos. „Aber man glaubt gar nicht, wie eingeschränkt manche im öffentlichen Raum sind." Das fange bei zu engen Drehkreuzen an und ende am instabilen OP-Tisch. Sven erinnert sich an eine Frau, die erst operiert werden konnte, nachdem sie deutlich abgenommen hatte. Für ihn sind das „durchaus schon diskriminierende Zustände“. An solchen Übeln des Alltags etwas zu verändern, das ist Svens Antrieb.
Auto-Designer sind ihm ein Rätsel
Im Moment allerdings geht es bei dem Freiberufler vor allem um Print und Grafik. Plakate und Formulare für einen wichtigen Kunden wollen entwickelt und erstellt werden. Als „relativ unspannend, aber groß“, bezeichnet Sven das Projekt. Noch sei er, logisch, nicht in der Lage, einen solchen Auftrag nicht anzunehmen. „Aber wenn ich mal reich, berühmt und sexy bin…“
Sven grinst. Denn einer wie Stardesigner Philippe Starck zu werden, das hat er gar nicht vor. Er fragt sich vielmehr, warum dieser für seine Alessi-Saftpresse, die raketenförmige, so viele Preise einheimste. Das Ding („Fällt ständig um und alles sifft daneben“) sei unter vielen Designern eher eine Lachnummer. Genauso ein Rätsel sind Sven die Auto-Designer, die es auch nach 150 Jahren nicht hinbekommen, funktionale Armaturenbretter zu entwickeln. Über so etwas könne er sich aufregen. Doch meistens ist der 32-Jährige gelassen.
„Leben ist mein Lohn“, dieses Motto in kyrillischer Keilschrift bildet nicht ohne Grund das zentrale Element seiner Unterarm-Tätowierung. Die meisten Leute, glaubt er, würden sich zu viele Gedanken darüber machen, was sie alles nicht haben. „Hey“, meint Sven da nur, „ich habe mein Leben, sitze mit einem guten Freund hier und trinke ein Bier, ich habe eine tolle Freundin – und freue mich wie eine Eins auf unser Kind.“
Svens Welt verändert sich - durch ein Kind
Dieses, das erste, erwartet das Paar, das in der Kölner Südstadt lebt, nämlich im Herbst. Dass er davor auch Schiss hat, gibt Sven unumwunden zu. „Man ist dann ja nicht mehr nur für sich allein verantwortlich.“ Wie er sich als künftiger Vater sieht, kann er nicht sagen. Nur eines sei sicher: „Der beste Freund seines Kindes sein zu wollen, das kannste knicken.“ Für alles weitere gebe es noch „keinen finalen Plan“.
Bevor Designer Sven die Welt verändert, verändert sich also erst einmal die Welt von Designer Sven. Gut, dass er seine Sturm- und Drangphase bereits hinter sich hat, wie er sagt. Früher hatte er das Gefühl, etwas zu verpassen, wenn er mal ein Wochenende zuhause blieb. Das ist vorbei. Jetzt macht sich der werdende Vater andere Gedanken. Unter anderem darüber, was er sich wohl für sein Kind auf den Unterarm stechen lassen wird. Denn eine Stelle im Kunstwerk ist im Moment noch frei.
Achim Graf